Wer einen Projektor nur nach seinen technischen Daten kauft, muss entweder sehr geringe Ansprüche an die Qualität haben oder wird mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht das optimale Gerät für seine Bedürfnisse bekommen. Technische Daten – vorausgesetzt, sie wurden normgerecht ermittelt – beschreiben eben nur einen ganz eng umrissenen Bereich der Wirklichkeit. Nun wünscht sich Epson eine weitere Norm, basierend auf einer Ausarbeitung vom NIST, und will damit aussagekräftigere Angaben zur Verfügung stellen.
Speziell uns Deutschen wird ja nachgesagt, dass wir besonders technikgläubig seien. Technik bedeutet in diesem Sinne, die Wirklichkeit in Zahlen zu fassen. Die sind dann leicht einzusortieren. 3000 ist eben mehr als 2000 und die Hierarchie ist eindeutig. Wir von der AV-views haben uns auf die Fahnen geschrieben, die Dinge möglichst ins rechte Licht zu rücken und dazu gehört die Aufklärung: Was steckt hinter den technischen Daten. Viel haben wir schon geschrieben über die glücklicherweise nachlassende Hysterie, mit der Projektorenhersteller aus dem DLP-Lager mit immer noch höheren Kontrastwerten an die Öffentlichkeit traten. 20.000:1 erscheint eben doppelt so gut, wie 10.000:1. Erst, wenn klar ist, dass diese Werte nur im labormäßig abgedunkelten, schwarz absorbierend gestrichenen Raum ohne das geringste Fremdlicht ermittelt werden können, dann lässt sich einschätzen, welche Relevanz einem solchen Wert in einem taghellen Konferenzraum zukommt.
Umstrittene Normen
Auch die normgerechte Lumen-Angabe ist keineswegs unumstritten. Bereits, als wir vor fast fünfzehn Jahren damit begannen, Projektoren zu testen und die Einhaltung der damals noch gültigen ANSI-Norm bezüglich der Lichtleistung zu überprüfen, gab es heftige Kritik an dem Normenwerk. Die Nachfolge-Norm lag bereits als „Draft“ vor, beseitigte aber auch nicht alle Schwachstellen der Vorgängerversion. Im Juli 2003 zog ANSI schließlich die Norm komplett aus dem eigenen Programm – sie wurde aber identisch vom internationalen Normungsgremium IEC übernommen. Normen sind ja nichts anderes, als genaue Beschreibungen, wie technische Angaben zu ermitteln sind. Sie müssen so genau sein, dass sie jederzeit wiederholt werden können und zum identischen Ergebnis führen. Was insbesondere der Laie dabei schnell übersieht: Es wird nur ein winziger Teil einer komplexen Wirklichkeit in Zahlen gefasst. Nur, wer genau weiß, was durch eine technische Angabe beschrieben wird und was die Messvorschriften besagen, kann ihren Wert für die Praxis richtig einschätzen. Neben dem oben schon erwähnten Kontrastwert ist auch die Lumen-Angabe keine universelle Messlatte für die Beurteilung der Qualität eines Projektors. Für Techniker ist das selbstverständlich – Normwerte wie Lumen (ICE) (fälschlicherweise als ANSI-Lumen bezeichnet), tauchen aber werbewirksam in Prospekten und Katalogen auf und führen bei Laien schnell zu Fehleinschätzungen.
Lumen für die Praxis
Für den Fachmann bildet die Lumen-Angabe beispielsweise die Basis für die Beurteilung, welcher Projektor in einer vorgegebenen Konferenzraumungebung ein ausreichendes Kontrastverhältnis erzielen kann. In einem solchen Raum wird die Bildwand durch das Umgebungslicht erhellt und der Projektor muss mit seiner Beleuchtungsstärke mindestens den fünffachen Wert erreichen. Nur dann, so sagen andere Normen, ist ein schwarzer Text auf weißem Grund noch erkennbar. Liefert das Umgebungslicht beispielsweise bereits 150 Lux, so muss der Projektor auf mindestens 750 Lux kommen. Es sei die Projektionsfläche zwei Quadratmeter groß, dann reicht eine Projektor mit 1500 Lumen für die normgerechte Erkennbarkeit aus. Wohl gemerkt: hier lässt sich gerade einmal Schwarz von Weiß unterscheiden. Für die Erkennbarkeit von Graustufen muss die Lichtleistung des Projektors entsprechend höher angesetzt werden. Der doppelte Wert ließe die Erkennbarkeit bis in mittlere Graubereiche zu. Alles was dunkler ist, kann aber nicht mehr differenziert werden. Sinnvoll und richtig ist hier eine Verschiebung der Graustufen in den erkennbaren Bereich durch Anpassung der „Gammakurven“. Dadurch werden Graustufen nicht linear projiziert, wodurch ein größerer Teil der Information erkennbar wird.
Lumen und Farbe
Bei allem bisher Gesagten tauchten Farbe und Farbqualität nicht auf. Die Normgerechte Feststellung der Lichtleistung bezieht sich korrekterweise auf die Projektion einer weißen Fläche. Wie dieses Weiß erzeugt wurde, ist dabei vollkommen unerheblich. Physikalisch lässt sich weißes Licht durch additives Mischen der Grundfarben Rot, Grün und Blau erzeugen. LCD-Projektoren etwa bauten bis vor kurzem ausschließlich auf diesem 3-Farben-Prinzip auf. Ebenso verhält es sich bei den LCoS-Projektoren sowie bei den 3-Chip DLP-Geräten. Die DLP-Technik allerdings bietet noch weitere Möglichkeiten. Sie kann mit einem einzigen Chip für ein vollfarbiges Bild auskommen, da die Technologie ein sequentielles Projizieren von Rot, Grün und Blau ermöglicht. Ein Farbfilterrad sorgt dafür, dass die Farbauszüge in schneller Folge nacheinander gezeigt werden. Einer der Nachteile dieser Technik: Die Lichtleistung der Lampe wird nicht optimal genutzt, da zu jedem Zeitpunkt nur ein Teil des produzierten Farbspektrums gebraucht wird. Um bei gleicher Lampenleistung zu einem höheren Nutzlichtstrom (Lumen) zu kommen, hatte man schon bald ein klares Segment in das Farbfilterrad integriert. Immer, wenn dieses Segment im Lichtstrom liegt, können die drei Grundfarben nicht mehr getrennt voneinander moduliert werden – Es wird für einen kurzen Moment ein Schwarz-Weiß-Bild gezeigt. Da aber die Messung der Lichtleistung bei der Projektion einer weißen Fläche erfolgt, wirkt sich der Einsatz des klaren Segmentes positiv auf die Lichtleistung aus: Sie steigt bei gleicher Lampenleistung erheblich gegenüber einem Projektor mit reinem RGB-Farbfilterrad an. Wohl gemerkt: Am Einsatz des klaren Segments ist nichts verwerflich oder gepfuscht: Die Schattenseiten zeigen sich erst im Bereich der Farbdarstellung – und die hat mit dem Nutzlichtstrom nur am Rande zu tun.
Klares Segment
Um die Problematik des klaren Segmentes im Farbfilterrad zu verstehen, muss man sich nur bewusst machen, dass in dem Moment Weiß, das heißt, zu gleichen Anteilen Rot, Grün und Blau projiziert wird, ohne dass diese Farben einzeln in ihrer Intensität zu ändern wären. Will man nun etwa eine rote Fläche auf weißem Grund projizieren, so hat man ein Problem: Für die weißen Bereich werden sowohl das rote, grüne und blaue als auch das klare Filtersegment genutzt. Die rote Fläche hingegen sollte auch nur aus Rot bestehen, das klare Segment müsste also ausgelassen werden. Dann aber ist das Rot viel zu dunkel im Vergleich zum Weiß. Man muss also doch etwas Weiß hinzufügen. So kommt also zum reinen Rot etwas Grün und etwas Blau (aus dem Weiß) hinzu. Die Farbe sieht schmutzig aus. Das Problem besteht bei allen Farben, und noch deutlicher bei allen Pastelltönen. Fehler fallen allerdings unterschiedlich stark auf, je nachdem, wo sie liegen. Es ist also Aufgabe eines guten Farbmanagementsystems, die Fehler so zu legen, dass sie möglichst nicht auffallen. Das gelingt mittlerweile tatsächlich erstaunlich gut.
Farbqualität in Zahlen
Ginge es hier nur um die Lichtleistung, so hätte dieser Artikel bereits vor dem letzten Abschnitt enden können. Das Thema „Farbqualität“ hat mit den Lumen-Angaben eigentlich fast nichts zu tun. Die Hersteller von Projektoren auf LCD-Basis sehen aber einen Wettbewerbsnachteil darin, dass potentielle Kunden die Lumen-Angabe nicht differenziert betrachten, sondern als das Qualitätsmerkmal schlechthin ansehen. Die Lumen-Zahl ist zu einem magischen Wert geworden und stellt in vielen Fällen neben dem Preis das entscheidende Kaufkriterium dar. So wundert es nicht, dass Epson als praktisch einziger Hersteller von LC-Chips für Projektoren nach einem Weg gesucht hat, den populären Begriff „Lumen“ so zu definieren, dass auch Aspekte der Farbqualität mit erfasst werden und in der Folge LCD-Geräte genauer in ihrer Qualität beschrieben werden und so einen besseren Eindruck hinterlassen.
Farblichtleistung
Hier kommt nun eine Ausarbeitung des „National Institute of Standards and Technology“ (NIST) ins Spiel. Dort hat man einen aus physikalischer Sicht sicherlich nicht zu beanstandenden Versuchsaufbau ausgearbeitet, bei dem die projizierten RGB-Farben getrennt gemessen und erst mathematisch zum „Weiß“ zusammengefügt werden. Epson und andere Hersteller von LCD Projektoren geben ab sofort einen weiteren Wert für Projektoren an, der eine Aussage über die Farbqualität der Geräte zulassen soll. Man nennt einen Lumen-Wert für die so genannte „Farblichtleistung“ (Color Light Output = CLO).
Messen der CLO
Dazu misst man nicht am weißen Bild sondern stellt die Beleuchtungsstärke der Bildwand bei der Projektion von Rot, Grün und Blau getrennt voneinander fest, normiert sie auf einen Quadratmeter und erhält durch Addition eine Lumen-Angabe. Es wurden zur Messung drei Farbmuster entwickelt, bei denen in neun Feldern die roten, grünen und blauen zyklisch ausgetauscht werden. Alle Felder werden dann separat mithilfe eines Spektrometers vermessen, wobei die Prozedur für jede der drei Grundfarben durchgeführt wird. Aus den Ergebnissen der Messungen lassen sich dann die Helligkeiten der einzelnen Farbfelder ausgeben, die summiert den Wert der Farblichtleistung ergeben. Diese ist – wen wundert es – bei LCD-Projektoren mit der „normalen“ Lichtleistung an der weißen Projektion gemessen identisch. Worin besteht dann der Vorteil beziehungsweise die zusätzliche Information? Wie oben beschrieben setzen die meisten DLP-Projektoren ihr Weiß nicht nur aus den getrennt projizierten RGB-Farbauszügen sondern auch aus einem weißen Projektionsanteil zusammen. Letzterer ist bei der Projektion von reinen Grundfarben nicht genutzt, weswegen die Farblichtleistung bei DLP-Projektoren etwa bei 30% – 50% der Weiß-Lichtleistung liegt. Wir haben bei unseren Tests schon seit einigen Jahre zusätzlich zu den normkonformen Messungen die Lichtleistungen der drei Grundfarben getrennt erfasst. Die Werte wurden von uns nicht nur deswegen nicht veröffentlicht, weil sie bisher keiner Norm entsprachen, sondern auch deswegen, weil die Ergebnisse – obwohl physikalisch nicht zu beanstanden – nach unserer Einschätzung kein praxisnahes Vergleichskriterium darstellen. So hatten wir LCD- und DLP-Projektoren mit gleicher Farblichtleistung in einer Konferenzraumsituation nebeneinander laufen gelassen und mussten feststellen, dass die subjektiv empfundene Farbqualität bei diesem nicht repräsentativen Test deutlich nicht dem entsprach, was die identischen Farb-Lumenwerte erwarten ließen.
Erweitert, nicht ersetzt
Die Hersteller von LCD-Projektoren wollen durch die Angabe der Farblichtleistung nicht die Angabe der „Helligkeit“ in Lumen eines Gerätes ersetzen. Die neue Angabe stellen sie sich als Ergänzung und Kontrollmöglichkeit vor. Welche Rückschlüsse lassen sich aus den Abweichungen zwischen der Farblichtleistung und dem normgerecht ermittelten Nutzlichtstrom ziehen? Wie oben beschrieben ist der Einsatz des klaren Segments im Farbrad eines 1-Chip DLP-Projektors eine der möglichen Ursache für die Differenz. Eine große Abweichung von 50% und mehr deutet auf ein großes Weiß-Segment hin, kleinere Werte auf ein entsprechend kleineres. Die messtechnisch feststellbaren Folgen des Weiß-Segments (nicht-lineares Farbspektrum, Reduzierung des Farbraums) sind aber keine neuen Erkenntnisse und lassen sich auch nicht durch einen einfachen Wert wie die Farblichtleistung erfassen. So bleibt als zusätzlicher Nutzen nur die Aussage, dass ein Vergleich von Projektoren auf Basis der Farblichtleistung in den Fällen sinnvoll ist, wenn eine Projektion in einem vollkommen abgedunkelten Raum stattfinden soll. Für die Kaufpraxis gilt weiterhin: sich in unabhängigen Tests informieren und möglichst Geräte in der gewünschten Umgebung in Augenschein nehmen.
Farblichtleistung in jedem Prospekt?
Der neue Maßstab steht allen Herstellern zur Verfügung. Ab sofort wird die Farblichtleistung daher bei allen Projektoren von Epson als zusätzlicher Wert in den Datenblättern angegeben. Damit aber potentielle Kunden diese Angabe tatsächlich als ein weiteres Instrument zur Beurteilung der Qualität eines Projektors nutzen können, müssten auch die Hersteller von DLP-Projektoren die entsprechenden Werte für ihre Geräte veröffentlichen. Selbst wenn, wie von Epson vorgeschlagen, die Farblichtleistung in eine zukünftige Norm aufgenommen werden sollte, muss bezweifelt werden, dass alle Hersteller sich nach dieser richten werden. Wie eingangs schon gesagt: Es gab ja auch in der alten ANSI-Norm schon eine festgelegte Methode, um das Kontrastverhältnis bei Projektoren zu messen – nur nahezu niemand gibt dieses nach ANSI oder heute nach IEC an.
Max Printzen, AV-views 1-2009